Frameshift - Unweaving the Rainbow

Interview by Tom Klaner

Ein neues Highlight am progressiven Musikhimmel bieten FRAMESHIFT. Dieses musikalische Projekt von Henning Pauly, einem in Los Angeles lebenden deutschen Ausnahmemusiker, und James LaBrie, der Goldstimme von Dream Theater, überraschte mich mit ihrem Debütalbum. Diese Veröffentlichung sorgt mit Sicherheit für große Bewunderung unter den Rockfans und ein Interview mit den beiden Hauptakteuren war längst fällig. Während James LaBrie mich von der Dream Theater-Tournee aus anruft, gibt Henning Pauly zusätzlichen Einblick in das Geheimnis von FRAMESHIFT.

Worin besteht für James als Sänger der Hauptunterschied zwischen seinem Hauptarbeitgeber Dream Theater und der Musik von FRAMESHIFT?
"Nun ganz einfach, bei Dream Theater sind insgesamt fünf Musiker in einer Band, die alle irgendwie in den Songwriting-Prozess mit einbezogen sind. So schreiben sowohl Mike Portnoy als auch John Myung oder John Petrucci an neuen Ideen und jeder konstruiert an den Songs herum. Ich bringe mich bei den Melodien und natürlich bei den Texten mit ein. FRAMESHIFT besteht aus Henning Pauly als Hauptkomponist und mir als Sänger und Mitstreiter. Wir haben sehr eng zusammengearbeitet und gemeinsam viel an den Songs herum arrangiert. Das gilt sowohl für die Musik als auch für die Texte. Das war eben mehr ein Zweiergespann als eine große Band. Ich habe mich beim Songwriting um einiges mehr einbringen können als bei Dream Theater und wir hatten eine wirklich entspannte und schöne Zeit mit FRAMESHIFT."

Ist es für dich sehr schwer nebenbei auch noch Zeit für ein Projekt vom Format FRAMESHIFT zu finden? Wie kam der Kontakt zwischen dir und Henning Pauly zustande?
"Es war mein Manager, der mir eine Mail schrieb und anfragte, ob ich an einem Tribute-Album Interesse hätte. Dazu hatte ich aber überhaupt gar keine Lust und das teilte ich ihm auch mit. Daraufhin antwortete er mir und fragte an, ob ich mir nicht eine CD mit den musikalischen Ideen von Henning Pauly anhören möchte und mit ihm eventuell daran arbeiten möchte. Als ich mir die CD dann anhörte, war ich sofort begeistert und beeindruckt von dem was ich zu hören bekam. Also knüpfte ich den Kontakt zu Henning und damit begann die Zusammenarbeit zwischen uns."

Was war ausschlaggebend für dein Interesse?
"Ich denke es war die Art, wie Hennings Songs klangen, sie waren originell und mit viel Gefühle bzw. Atmosphäre. Es war ein ganz eigener Stil, der mich ein bisschen an Genesis oder Spocks Beard erinnerte, eben sehr coole Musik und da hat es eben sofort gefunkt. Bei diesem Projekt wollte ich unbedingt dabei sein. Der erste Song, der mich beeindruckte war übrigens `Message from the Mountain`. Hennings Musik ist eine superbe Angelegenheit und je länger wir dann daran arbeiteten, umso mehr Spaß hatten wir dabei. Das war dann so eine Art Selbstläufer und auch die textliche Thematik über die Evolution und die Weltgeschichte an sich war sehr interessant und hat auch etwas Magisches an sich."

Henning Pauly erläutert, wie es aus seiner Sicht zu dem Projekt FRAMESHIFT kam und wieso er sich für diese Thematik entschied.
"Die Thematik ist ein Hobby von mir. Ich beschäftige mich mit Darwinismus, Genetik und Evolution und diese Ideen in Musik umzusetzen, ist für mich völlig natürlich. Richard Dawkins ist einer der angesehenen Autoren auf diesem Gebiet und sein Material war perfekt für dieses Projekt. Wieso hatte ich also ausgerechnet James LaBrie für dieses Projekt ausgewählt? Das hatte ich nicht, es war andersrum, es bestand plötzlich die Möglichkeit mit James zusammenzuarbeiten und die Frage war welche Musik ihn dazu bewegen würde, auf der Platte zu singen. Also fing ich an, Musik zu schreiben, von der ich dachte, dass James` Stimme perfekt dazu passen würde und die ihn auch in einem anderen Licht zeigt. Der Sänger war zuerst da, dann kam die Musik. Hätte James nicht zugestimmt, wäre die Platte nicht entstanden und ich hätte aufgehört Songs dafür zu schreiben und mich auf andere Sachen konzentriert."

Zum Glück hatte also James die Musik von Henning ausgewählt, denn sonst wäre uns dieses Album wohl nie ins Haus geflattert. Kannte James eigentlich die Thematik bzw. eines der Bücher von Richard Dawkins?
"Ja, ein Buch habe ich auch gelesen, obwohl ich kein sehr spiritueller Mensch bin. Es war schon hart meine Gedanken so umzukrempeln und Richard Dawkins hat mich da etwas umdenken lassen. Es war sehr interessant und ein gutes Buch, das mich gedanklich ein bisschen auf FRAMESHIFT eingestellt hat. Jetzt kann ich vieles einfacher nachvollziehen und versuche auch zu verstehen. Ich hoffe, das kommt in den Songs auch ganz gut zum Ausdruck."

Die Songs auf dem FRAMESHIFT-Album sind überhaupt allesamt sehr emotional und tiefgründig.
"Ja, diese Musik ist wunderschön und hoffentlich bekommen diese Songs möglichst viele Leute zu hören. Manchmal ist es eben auch schön, das volle Risiko zu gehen und etwas zu machen, was man nicht jeden Tag serviert bekommt. Es steckt sehr viel Abwechslung in den Songs, eine Sammlung von bester atmosphärischer und kraftvoller Musik. Die Songs haben sicherlich nicht die musikalische und technische Komplexität wie die meisten Dream Theater-Songs, aber FRAMESHIFT ist eine ganz andere Baustelle. Ich möchte auch nie die Musik von Dream Theater kopieren, das würde nur lächerlich wirken und so etwas kann nie und nimmer funktionieren. FRAMESHIFT ist ein ganz anderes musikalisches Terrain."

Singst du lieber die härteren Passagen oder gefallen deinen Stimmbändern eher die Balladen?
"Ich bin ein Sänger, der es mag, wenn er die unterschiedlichsten Sachen singen kann und nicht immer nur die gleiche Tonlage. Ein bisschen Abwechslung muss für einen Sänger schon sein, denn das macht schließlich auch die Stimme noch variabler und flexibler. Außerdem kann ein Sänger so den gesamten Background seiner Stimme zeigen und abrufen, was für die Fans das ganze Spektrum bedeutet. Bei FRAMESHIFT ist das ähnlich wie bei Dream Theater, denn ich kann einmal so singen wie Freddie Mercury von Queen und dann wieder ganz leise und verhalten. Von diesen überraschenden Wechseln lebt dieses Album zum Großteil."
Das Zeitproblem hat jeder selbst in der Hand. Die Möglichkeiten der Zeiteinteilung sind breit gestreut, und eine gute Einteilung ist nun einmal alles. Es ist eine Frage des Zeitmanagements. Ich habe ja auch Kinder und die haben absolute Priorität. Also bleibt nicht sehr viel Zeit, aber ich nehme mir die Zeit für Dinge, die mich wirklich interessieren sehr gerne. FRAMESHIFT hat meiner Stimme sogar die Möglichkeit gegeben, weiter in Form zu bleiben und das tut manchmal richtig gut. Wenn ich zuhause bin, dann singe ich sowieso nicht. Aber schließlich haben wir alle die Möglichkeit zu allem deutlich `Nein` zu sagen. Jeder ist selbst für seine Entscheidungen verantwortlich."

Du hast vorhin einmal Queen als musikalischen Vergleich angeführt. Bist du ein Queen-Fan?
"Oh ja, Freddie ist mein absoluter Lieblingssänger, mein König der Vorbilder! Henning Pauly war aber für rund 90 Prozent der Songs verantwortlich, die du auf dem Album hörst. Bei den Melodien und den Texten habe ich mich natürlich beteiligt. Henning ist ein unglaublicher Komponist und Musiker. Queen war eine der besten Rockbands dieser Erde."

Du wirst jetzt noch öfter mit Tapes zugeschüttet werden und die Anfragen bzgl. einer Gesangseinlage deinerseits werden sich angesichts dieses FRAMESHIFT-Projektes wohl auch häufen, meinst du nicht?
"Ja, ich weiß, aber es gibt jetzt schon so viele Anfragen und ich lehne genügend ab. Es muss für mich schon einen guten Grund geben, warum ich so etwas machen möchte. Hinter so einer Entscheidung muss ich voll und ganz leben können und bei Henning Pauly war das von Anfang an klar."

Tut das eigentlich gut oder macht es Sinn, so eine gewaltige Stilvielfalt auf einer einzigen Scheibe zu zelebrieren? Dieses FRAMESHIFT-Projekt ist musikalisch so abwechslungsreich, dass du einige Stilelemente zum ersten Mal so gesungen hast, oder?
"Nein, eigentlich nicht. Obwohl es gerade diese Abwechslung und die unterschiedlichen musikalischen Elemente etwas schwer machten, so ist es ein ganz natürlicher Prozess gewesen. Dann tauchst du ein ohne jede Abneigung gegen irgendetwas. Als ich die Songs hörte, war ich von Anfang an begeistert, wie ich bereits erwähnte. Dazu musste ich mich und meine Stimme nicht verstellen."

Was macht ein James LaBrie, wenn er schlecht gelaunt ist und abends auf die Bühne gehen muss?
"Nun, ich bin schließlich auch nur ein Mensch und du fühlst dich ja nicht jeden Tag gleich gut. Sicher steht mir auch ab und zu einmal der Kopf nicht nach einem Auftritt, aber ich muss dann eben so professionell sein, dass die Fans das nicht merken dürfen. Das hast du als Musiker selbst in der Hand, aber egal wie schlecht es dir geht, die Fans können nichts dafür und die sind zum Konzert gekommen, haben viel Geld für ein Ticket bezahlt und haben das Recht, dich in einer guten Form zu sehen und zu hören. Aber glaub mir, spätestens wenn du auf der Bühne stehst, geht es dir sowieso wieder besser!"

Aha, und was sind nun die Zukunftsvisionen von Henning Pauly?
"Hmm... ich bin beschäftigt, denn ich stecke mitten in der Produktion der zweiten Chain-Platte und dem nächsten riesigen Projekt `Babysteps`, auf dem James LaBrie ebenfalls singen wird, zusammen mit Jody Ashworth vom Trans Siberian Orchestra. Wir haben auch Al Pitrelli als Gastmusiker und ein paar andere hochkarätige Namen, die bis jetzt noch als Geheimnis gehütet werden. Vor ein paar Wochen habe ich mir eine zweiwöchige Auszeit genommen und eine Rock-Platte geschrieben und produziert. `13 Days` wurde auch in genau 13 Tagen geschrieben und aufgenommen. Das Album hat natürlich 13 Songs mit 11 verschiedenen Sängern, keine Keyboards, nur Gitarre, Bass, Drums und Vocals, eben Rock. Das Label hat einige andere Sachen für mich geplant, aber wenn ich mit `Babysteps` jemals fertig werden sollte, dann mache ich erst einmal ein paar Wochen Urlaub. Dann arbeite ich weiter an meiner Solo-Gitarren-Platte, von der ich schon einiges Material fertig aufgenommen habe."

Wie war für dich die Zusammenarbeit mit James LaBrie?
"Die Zusammenarbeit mit James war nur klasse, er ist sehr detailliert und superprofessionell. Wir hatten wirklich nicht genug Zeit und waren kontinuierlich im Stress, um auch alles fertig zu bekommen. Aber wir kamen prima miteinander klar! Wir haben schon darüber gesprochen, eine zweite `Frameshift`-Platte aufzunehmen, aber mal sehen, wann das Sinn macht. Live-Auftritte von FRAMESHIFT kann man voll vergessen, denn das Songmaterial ist einfach zu komplex und ich kann mich nicht daran erinnern, wann ich das letzte einmal live auf der Bühne gestanden bin. Ich bin einfach nicht im Training und die Zeit, die eine Tour kosten würde, kann ich viel besser im Studio verwenden und noch mehr Musik aufnehmen."

Welchen Beruf hätte James LaBrie eigentlich erlernen wollen, wenn er nicht bei einer Rockband gelandet wäre?
"Ich hätte bestimmt irgendetwas mit Medizin zu tun haben wollen, egal was, aber ich wollte den Menschen schon immer helfen bzw. sie heilen. Das mache ich ja jetzt mit der Musik auch auf irgendeine Art und Weise, haha."

Wie wahr, wie wahr! Zum Schluss bleibt mir nur noch der Tipp, dass ihr euch unbedingt das Debütalbum von FRAMESHIFT zu Gemüte führen solltet. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es auch nur einer bereuen wird.